FAU Erlangen-Nürnberg zeichnet chinesischen Rechtswissenschaftler aus
Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg verleiht den diesjährigen Human Rights Award an den chinesischen Rechtswissenschaftler, Aktivisten und ehemaligen Professor der Tsinghua-Universität Peking, Xu Zhangrun. Die Preisverleihung fand in Xus Abwesenheit statt, da dieser in China unter Hausarrest steht. FAU-Vizepräsident Prof. Dr. Andreas Hirsch legte die Preisurkunde symbolisch auf den leeren Stuhl des Preisträgers. (Titelbild: Prof. Dr. Eva Pils hält Laudatio auf den Preisträger).
Der Preisträger Professor Xu Zhangrun. (Bild: Xu Zhangrun)
We are born as beings of flesh and blood, from heaven and earth, To live with the painful intensity of human tenderness. Therefore, forgive me, Motherland: I have been given life, But I have recklessly followed my passion and lived an unruly, rambling life ⋯⋯ ⋯⋯ I cannot suppress it, This inner longing of my soul for freedom — Freedom, freedom — You inspire my soul still.
– Xu Zhangrun –
Trotz Repressionen und Hausarrest: Xu Zhangruns unermüdlicher Einsatz für Menschenrechte
„Professor Xu hat während seiner gesamten akademischen Laufbahn zu Aspekten des Verfassungsrechts und des Konstitutionalismus, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sowie der chinesischen und westlichen Geistesgeschichte gelehrt und geforscht“, so Laudatorin Prof. Dr. Eva Pils, Humboldt-Professorin und Vorstandsmitglied des FAU CHREN. „Seine Arbeiten zeichnen sich durch einen unverwechselbaren literarischen Stil aus, der auf historische Vergleiche zurückgreift und dabei auch vor robuster und direkter politischer Kritik am System und einzelnen Machthabern nicht zurückschreckt. Dafür wurde ihm viel Bewunderung entgegengebracht.“
Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt hält Laudatio auf den Preisträger. (Bild: FAU CHREN)
Bewunderung, aber auch schwerwiegende Repressionen: „Seine Veröffentlichungen in den letzten Jahren, insbesondere seit 2018, haben zu massiver Verfolgung geführt, gerade weil sie bis dahin einen bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Diskussion in der chinesischen Gesellschaft hatten“, so Professorin Pils.
In einer weiteren Laudatio dankte Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt, Seniorprofessor für Menschenrechte am Institut für Politische Wissenschaft an der FAU und ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, dem Preisträger: „Auch wenn Xu Zhangrun von der FAU den Preis erhält, sind wir in der FAU doch die eigentlich Beschenkten: Mit seinem Mut kann er für uns Inspiration sein.“
Der leere Stuhl
Der symbolische leere Stuhl des Preisträgers. (Bild: FAU CHREN)
Da Xu Zhangrun in Peking unter Hausarrest steht und den Human Rights Award nicht persönlich entgegennehmen konnte, legte FAU-Vizepräsident Prof. Dr. Andreas Hirsch die Preisurkunde auf den symbolischen leeren Stuhl des Preisträgers. „Wir hätten diesen bedeutenden Wissenschaftler gerne persönlich geehrt und den wissenschaftlichen Austausch gepflegt“, so Professor Hirsch. „Ich danke Professor Xu für sein Engagement und hinterlege den diesjährigen Human Rights Award auf diesen leeren Stuhl in der Hoffnung, dass Professor Xu ihn bald abholen können möge.“
Über Xu Zhangrun
Professor Xu Zhangrun, geboren 1962, war bis 2018 Professor für Rechtsphilosophie und Verfassungsrecht an der Tsinghua-Universität in Peking. Im Jahr 2002 erhielt er den höchsten Forschungspreis der Universität.
Xu Zhangrun hat einen B.A.-Abschluss der Southwestern University of Politics and Law, einen Master-Abschluss der China University of Political Science and Law und einen Doktortitel in Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte der Universität Melbourne (verliehen im Jahr 2000).
Nach seiner Rückkehr aus Australien nach Peking trat er eine Stelle als außerordentlicher Professor an der Tsinghua-Universität an und stieg dort auf, wobei er zusätzlich die Leitung des Tsinghua University Centre for Rule of Law and Human Rights Research übernahm. Er war zudem Mitglied des Unirule Institute, eines liberalen Thinktanks für Wirtschaft und Politik mit Sitz in Peking, der im Juli 2018 geschlossen wurde.
Er lebt derzeit am Rand von Peking unter strikter Bewachung, die jeder rechtlichen Grundlage entbehrt. Er darf die Stadt ohne Genehmigung nicht verlassen. Zwar wurde er offiziell in den Ruhestand versetzt, erhält jedoch weder ein Ruhegehalt noch Sozialhilfe. Auch aus seiner früheren Dienstwohnung wurde er ausgewiesen, und er ist aufgrund der Einschüchterungswirkung der Verfolgung von Kollegen und Studenten völlig isoliert.
Einige der jüngeren Arbeiten von Professor Xu sind in einer Übersetzung von Professor Geremie Barmé über die Website China Heritage zugänglich, darunter sein Essay „Imminent fears, immediate hopes“, der 2018 online veröffentlicht wurde, große Aufmerksamkeit erregte und eine verstärkte Verfolgung auslöste, sowie sein Essay „Viral alarm: Wenn Wut die Angst besiegt“, der 2020 online veröffentlicht wurde.
Seine aktuelle Arbeit „Gegen Moral und Vernunft: Grundzüge einer Theorie des Gesetzesunrechts“‘ wird derzeit vom Verlag Gallimard ins Französische übersetzt und veröffentlicht, nachdem ein chinesisches Publikationsprojekt wegen der Zensur abgebrochen wurde.
„I am humbled and honoured by being awarded the Human Rights Award from the University of Erlangen-Nuremberg. It also makes me feel uplifted and encouraged, as though a warm zephyr had travelled to me from thousands of miles away, making thereby the early spring at the foot of the Great Wall in North China feel, momentarily at least, less discouraging and desolate. It augurs a future spring when the soil will stir once more and nurturing rains will water the earth. “
– Auszug aus Professor Xus Dankesrede –
v.l.n.r.: Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt, VP People Prof. Dr. Andreas Hirsch, Prof. Dr. Eva Pils (Bild: FAU CHREN)
FAU-Vizepräsident (People) Prof. Dr. Andreas Hirsch hält die Rede für Preisträger Xu. (Bild: FAU CHREN)
Der vorherige Preisträger Dr. Harsh Mander konnte – wenn auch remote – ebenfalls an der Preisverleihung teilhaben. (Bild: FAU CHREN)
Musikalische Untermalung von Helga Riedel und Heiner Bielefeldt. (Bild: FAU CHREN)
FAU Erlangen-Nürnberg zeichnet chinesischen Rechtswissenschaftler aus
Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg verleiht den diesjährigen Human Rights Award an den chinesischen Rechtswissenschaftler, Aktivisten und ehemaligen Professor der Tsinghua-Universität Peking, Xu Zhangrun. Die Preisverleihung fand in Xus Abwesenheit statt, da dieser in China unter Hausarrest steht. FAU-Vizepräsident Prof. Dr. Andreas Hirsch legte die Preisurkunde symbolisch auf den leeren Stuhl des Preisträgers.
(Titelbild: Prof. Dr. Eva Pils hält Laudatio auf den Preisträger).
We are born as beings of flesh and blood, from heaven and earth,
To live with the painful intensity of human tenderness.
Therefore, forgive me, Motherland: I have been given life,
But I have recklessly followed my passion and lived an unruly, rambling life
⋯⋯
⋯⋯
I cannot suppress it,
This inner longing of my soul for freedom —
Freedom, freedom —
You inspire my soul still.
– Xu Zhangrun –
Trotz Repressionen und Hausarrest: Xu Zhangruns unermüdlicher Einsatz für Menschenrechte
„Professor Xu hat während seiner gesamten akademischen Laufbahn zu Aspekten des Verfassungsrechts und des Konstitutionalismus, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit sowie der chinesischen und westlichen Geistesgeschichte gelehrt und geforscht“, so Laudatorin Prof. Dr. Eva Pils, Humboldt-Professorin und Vorstandsmitglied des FAU CHREN. „Seine Arbeiten zeichnen sich durch einen unverwechselbaren literarischen Stil aus, der auf historische Vergleiche zurückgreift und dabei auch vor robuster und direkter politischer Kritik am System und einzelnen Machthabern nicht zurückschreckt. Dafür wurde ihm viel Bewunderung entgegengebracht.“
Bewunderung, aber auch schwerwiegende Repressionen: „Seine Veröffentlichungen in den letzten Jahren, insbesondere seit 2018, haben zu massiver Verfolgung geführt, gerade weil sie bis dahin einen bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Diskussion in der chinesischen Gesellschaft hatten“, so Professorin Pils.
In einer weiteren Laudatio dankte Prof. Dr. Dr. h.c. Heiner Bielefeldt, Seniorprofessor für Menschenrechte am Institut für Politische Wissenschaft an der FAU und ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, dem Preisträger: „Auch wenn Xu Zhangrun von der FAU den Preis erhält, sind wir in der FAU doch die eigentlich Beschenkten: Mit seinem Mut kann er für uns Inspiration sein.“
Der leere Stuhl
Da Xu Zhangrun in Peking unter Hausarrest steht und den Human Rights Award nicht persönlich entgegennehmen konnte, legte FAU-Vizepräsident Prof. Dr. Andreas Hirsch die Preisurkunde auf den symbolischen leeren Stuhl des Preisträgers. „Wir hätten diesen bedeutenden Wissenschaftler gerne persönlich geehrt und den wissenschaftlichen Austausch gepflegt“, so Professor Hirsch. „Ich danke Professor Xu für sein Engagement und hinterlege den diesjährigen Human Rights Award auf diesen leeren Stuhl in der Hoffnung, dass Professor Xu ihn bald abholen können möge.“
Über Xu Zhangrun
Professor Xu Zhangrun, geboren 1962, war bis 2018 Professor für Rechtsphilosophie und Verfassungsrecht an der Tsinghua-Universität in Peking. Im Jahr 2002 erhielt er den höchsten Forschungspreis der Universität.
Xu Zhangrun hat einen B.A.-Abschluss der Southwestern University of Politics and Law, einen Master-Abschluss der China University of Political Science and Law und einen Doktortitel in Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte der Universität Melbourne (verliehen im Jahr 2000).
Nach seiner Rückkehr aus Australien nach Peking trat er eine Stelle als außerordentlicher Professor an der Tsinghua-Universität an und stieg dort auf, wobei er zusätzlich die Leitung des Tsinghua University Centre for Rule of Law and Human Rights Research übernahm. Er war zudem Mitglied des Unirule Institute, eines liberalen Thinktanks für Wirtschaft und Politik mit Sitz in Peking, der im Juli 2018 geschlossen wurde.
Er lebt derzeit am Rand von Peking unter strikter Bewachung, die jeder rechtlichen Grundlage entbehrt. Er darf die Stadt ohne Genehmigung nicht verlassen. Zwar wurde er offiziell in den Ruhestand versetzt, erhält jedoch weder ein Ruhegehalt noch Sozialhilfe. Auch aus seiner früheren Dienstwohnung wurde er ausgewiesen, und er ist aufgrund der Einschüchterungswirkung der Verfolgung von Kollegen und Studenten völlig isoliert.
Einige der jüngeren Arbeiten von Professor Xu sind in einer Übersetzung von Professor Geremie Barmé über die Website China Heritage zugänglich, darunter sein Essay „Imminent fears, immediate hopes“, der 2018 online veröffentlicht wurde, große Aufmerksamkeit erregte und eine verstärkte Verfolgung auslöste, sowie sein Essay „Viral alarm: Wenn Wut die Angst besiegt“, der 2020 online veröffentlicht wurde.
Seine aktuelle Arbeit „Gegen Moral und Vernunft: Grundzüge einer Theorie des Gesetzesunrechts“‘ wird derzeit vom Verlag Gallimard ins Französische übersetzt und veröffentlicht, nachdem ein chinesisches Publikationsprojekt wegen der Zensur abgebrochen wurde.
„I am humbled and honoured by being awarded the Human Rights Award from the University of Erlangen-Nuremberg. It also makes me feel uplifted and encouraged, as though a warm zephyr had travelled to me from thousands of miles away, making thereby the early spring at the foot of the Great Wall in North China feel, momentarily at least, less discouraging and desolate. It augurs a future spring when the soil will stir once more and nurturing rains will water the earth. “
– Auszug aus Professor Xus Dankesrede –
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