Human Rights Colloquium: „Anwaltschaft unter autoritären Regimes: Die Erfahrungen im Iran“ mit Dr. Afrooz Maghzi

Human Rights Colloquium zum Thema Anwaltschaft unter autoritären Regimes: Die Erfahrungen im Iran mit Dr. Afrooz Maghzi

 

Am 12. November 2025 empfing das FAU CHREN im Rahmen seiner Human Rights Colloquium-Reihe Dr. Afrooz Maghzi, eine iranische Rechtsanwältin, Sozialrechtlerin und Menschenrechtsaktivistin. Die Veranstaltung bot eine äußerst spannende Auseinandersetzung mit den Komplexitäten der Rechtsvertretung unter autoritären Herrschaftsverhältnissen, wobei der Schwerpunkt auf einer kritischen Fallstudie zum Iran lag. Die Veranstaltung zog ein vielfältiges Publikum an, das verstehen wollte, wie Juristen in einem theokratisch-autoritären System agieren.

Diskussion

Dr. Maghzis zentrales Argument war, dass einige iranische Anwälte sich in einem komplexen „autoritären Rechtssystem“ zurechtfinden müssen. Durch die Entwicklung strategischer Prozesskonzepte, die den Gerichtssaal nicht nur als Rechtsort, sondern auch als Raum für moralischen Widerstand nutzen, stellen sie gleichzeitig die Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt ihrer umfassenderen Interessenvertretung, wobei sie mit den für autoritäre Herrschaft charakteristischen Paradoxien von Chancen und Unterdrückung operieren. In ihrem Vortrag skizzierte Dr. Maghzi auch die historische Entwicklung der iranischen Anwaltskammer, deren Unabhängigkeit – die ihre Wurzeln in der Ära von Premierminister Mohammad Mosaddegh im Jahr 1953 hat – systematisch ausgehöhlt wurde. Sie beschrieb detailliert die sich wandelnden Unterdrückungsstrategien des Staates, die sich von brutaler Gewalt zu einer raffinierteren bürokratischen Kriegsführung entwickelt haben.

Seit der Revolution von 1979, durch die Frauen vieler Rechte beraubt wurden, haben sich Anwältinnen zu einer treibenden Kraft in der Menschenrechtsarbeit entwickelt. Angesichts einer besonderen Form des „geschlechtsspezifischen Autoritarismus“ – bei dem der Staat Moral und Geschlecht als Kontrollinstrumente einsetzt – haben Anwältinnen ihren Berufsstand neu definiert. Sie stellen patriarchalische Auslegungen des islamischen Rechts in Frage, indem sie einen „gelebten Islam“ fordern und ihren Einsatz als Kampf für göttliche Gerechtigkeit und Moral darstellen, anstatt ihn nur als technischen juristischen Sieg zu betrachten.

Die Themen der anschließenden lebhaften Diskussion reichten von der Rolle der Zerstreuung und der Anwälte im Exil – die zunehmend soziale Medien nutzen, um Fälle zu verbreiten – bis hin zu den heiklen Überlebensstrategien der Anwaltskammer im Vergleich zu den Taktiken einzelner Anwälte. Das Publikum war besonders fasziniert von der Erkenntnis, dass es für viele iranische Menschenrechtsanwälte im Gerichtssaal weniger darum geht, in einem manipulierten System „einen Fall zu gewinnen“, als vielmehr darum, Ungerechtigkeiten zu dokumentieren und eine moralische Haltung gegen staatliche Unterdrückung einzunehmen, was zur angestrebten Schaffung einer „moralischen Legalität“ vor Gericht führt.

Biografie der Referentin

Afrooz Maghzi, Image: FAU/Nathalie Schneider

Dr. Afrooz Maghzi ist eine iranische Juristin und Wissenschaftlerin, die derzeit am Irish Centre for Human Rights in Galway tätig ist. Sie hat einen Doktortitel in Rechtswissenschaften von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung. Als ehemalige Gastwissenschaftlerin an der Harvard Law School und zuvor am Forschungszentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE) der FAU konzentriert sich ihre Forschung auf die Schnittstelle von Recht, Geschlechterfragen und Minderheitenrechten in autoritären Kontexten.

 

Über das FAU CHREN Human Rights Colloquium

Organisiert vom Forschungszentrum für Menschenrechte Erlangen-Nürnberg (FAU CHREN) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, bringt unser inter- und transdisziplinäres Kolloquium Wissenschaftler und Praktiker zusammen, um aktuelle Themen der Menschenrechtsforschung und -praxis zu diskutieren.

Die Kolloquien finden fortlaufend statt und werden gemeinsam von Dr. Janina Heaphyund Prof. Dr. Eva Pils organisiert. Die Teilnahme ist nur auf Einladung möglich. Anfragen richten Sie bitte an die Organisatorinnen und/oder an humanrights@fau.de.